Archiv der Kategorie: 6. April 1945

Das KZ Außenlager in Duderstadt am 10. April 1945, einen Tag nach der Besetzung durch amerikanische Truppen. Im Hintergrund die Munitionsfabrik Polte, in der die Häftlinge hatten arbeiten müssen. (Foto aus: Günther Siedbürger: Zwangsarbeit im Landkreis Göttingen 1939-1945, Duderstadt 2005)

Verhinderte Befreiung. Abtransport von KZ-Häftlingen vor der heranrückenden Front aus Duderstadt

Im Außenlager des KZ Buchenwald bei der Munitionsfabrik Polte in Duderstadt sind 750 jüdische Ungarinnen inhaftiert. Zwischen dem 5. und 7. April 1945 werden sie nach Seesen abtransportiert, unter ihnen am 6. April Marta Schweitzer.
Die Siebzehnjährige notiert: „Wir stehlen die Rüben, egal, ob uns der Posten sieht und auf uns schießt, egal ob sie uns den größten Schatz, unser drei Zentimeter langes Haar, abschneiden. Wir wollen nicht verhungern, bevor wir die Amerikaner gesehen haben. Man kann ja die Kanonen von so nah hören (… ) Freitagnachmittag großer Lärm, Gerenne, wir kommen kaum zu uns, da werden wir schon mit Schäferhunden aus den Blocks getrieben. (… ) wir haben Pech, im strömenden Regen auf offenem Lastwagen wie die Heringe zusammengepfercht, im Brotbeutel ein paar halb verfaulte Futterrüben, so beginnt die Flucht vor der Befreiung.“

Die Häftlinge werden von der SS-Wachmannschaft in Güterwaggons auf den Weg nach Theresienstadt gebracht. Die amerikanischen Truppen erreichen Duderstadt erst am 9. April 1945.

Literatur:
Götz Hütt (Hg.): „Jede Minute, die wir noch leben, ist von Nutzen“ – Lebensgeschichtliche Interviews mit ehemaligen Häftlingen des KZ-Außenlagers Duderstadt, Norderstedt 2011.

Website:
www.geschichtswerkstatt-duderstadt.de

Rekonstruktion der Routen der Todesmärsche von den KZ-Außenlagern Hannover-Limmer und -Ahlem in das KZ Bergen-Belsen im April 1945. Nicht eindeutig nachweisbare Strecken sind schraffiert. (Horst Dralle, Arbeitskreis Ein Mahnmal für das Frauen-KZ Limmer, 2015)

Die Räumungen der KZ-Außenlager Hannovers beginnen

Am frühen Morgen des 6. April 1945 überschreiten alliierte Panzereinheiten die Weser bei Minden. Gegen 7.00 Uhr wird die Räumung der fünf KZ-Außenlager Hannovers befohlen. Ihre Häftlinge sollen in das ca. 160 Kilometer entfernte Hauptlager Neuengamme marschieren.

Der Abmarsch beginnt in aller Hektik. Handkarren werden mit dem Gepäck der Begleitmannschaften und Marschproviant beladen. Rund 4.500 Häftlinge verlassen die Lager auf unterschiedlichen Routen in Richtung Norden, bis sich ihre Wege bei Großburgwedel treffen. Kurz vor dem Vorbeimarsch am KZ Bergen-Belsen (und in einem Falle danach) erhalten sie die Nachricht, dass dieses Lager zum neuen Zielort bestimmt worden ist.

Vor dem Aufbruch werden die begleitenden Wachmannschaften instruiert, dass kein Häftling lebendig in die Hand des Feindes fallen darf. Bis zu 100 Häftlinge, die das Marschtempo nicht einhalten können, werden erschossen und am Rande des Weges verscharrt. Eine unbestimmte Anzahl stirbt im Inferno des Lagers Bergen-Belsen.

Literatur:
Herbert Obenaus: Die Räumung der hannoverschen Konzentrationslager im April 1945, in: Rainer Fröbe u.a., Konzentrationslager in Hannover. KZ-Arbeit und Rüstungsindustrie in der Spätphase des Zweiten Weltkriegs. Hildesheim 1985. Bd. II, S. 493 ff

Horst Dralle: Die Räumung des Frauen-KZ Hannover-Limmer im April 1945. Unveröffentlichtes Manuskript, Hannover 2015

Informationen im Internet:
Arbeitskreis „Ein Mahnmal für das Frauen-KZ in Limmer“ >> www.kz-limmer.de

Hannoversche Allgemeine, 2. April 2015 >> http://www.haz.de/Hannover/Aus-der-Stadt/Uebersicht/Wer-nicht-weiterkonnte-wurde-gnadenlos-erschossen

 

Links: Nadja Podmogilnaja, ca. 1944 (Stadtarchiv Hannover, Sammlung Zwangsarbeiter/Bilddateien/173244-833/Wlasenko Bogdan (Nadja Podmogilnaja). Rechts: Pjotr Palników, undatiert (RGASPI, Moskau, Bestand 117, Findbuch 1, Nr. 2090)

Erschießungen auf dem Seelhorster Friedhof

In den letzten Kriegswochen weist das Reichssicherheitshauptamt die Gestapo-Stellen an, jene Häftlinge zu exekutieren, die ein „Todesurteil“ zu erwarten haben. In Hannover werden deshalb am Freitag, den 6. April 1945 – vier Tage vor der Befreiung – über 150 Personen vom Gelände der ehemaligen Israelitischen Gartenbauschule Ahlem zum Stadtfriedhof Seelhorst getrieben. Es handelt sich vorwiegend um sowjetische Kriegsgefangene und zivile Zwangsarbeiter, die entweder aus dem kurz zuvor aufgelösten Arbeitserziehungslager Lahde bei Minden kamen oder im Polizeiersatzgefängnis in Ahlem einsaßen. Auf dem Marsch durch die Stadt können mehrere von ihnen entkommen.

Auf dem Friedhof müssen sich die Häftlinge an das von ihnen selbst ausgehobene Massengrab stellen. Sie werden von Angehörigen der Gestapo erschossen – unter den 154 Ermordeten als einzige Frau die in Charkow geborene Nadja Podmogilnaja, die zur Zwangsarbeit nach Hannover verschleppt worden war. Dem ebenfalls aus Charkow stammenden Peter Palników gelingt als Einzigem die Flucht. Nach der Befreiung informiert er die Alliierten über die Erschießungen auf der Seelhorst. Auf Veranlassung der Alliierten werden die Leichen am 2. Mai 1945 exhumiert und am Nordufer des Maschsees in einem Ehrengrab beigesetzt.

Literatur:
Die Erschießungen auf dem Seelhorster Friedhof 1945. Hannoversche Geschichtsblätter 59/2005 Beiheft 3

Informationen im Internet:
Geschichts- und Erinnerungstafel Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge >> http://www.volksbund.de/kriegsgraeberstaette/hannover-mitte-friedhof-maschsee-nordufer.html