Der Niederländer Derk Heero Schortinghuis, Zuchthausgefangener in Hameln (Derk Heero Schortinghuis, Met de dood voor ogen, Bedum 2000)

Ein Todesmarsch entlang des Ith

Am 5. April verlassen etwa 450 Mann, überwiegend Ausländer, das Zuchthaus Hameln. Ziel ist das ca. 40 Kilometer entfernte Zuchthausaußenlager Holzen.

Der Gefangene Derk Heero Schortinghuis erinnert sich:
„Vierhundert Knastbrüder mit ihren Decken als Cape über der Schulter: Vor uns liegt ein 40 km langer Marsch. Das Schuhwerk variiert von hölzernen Sandalen bis hin zu guten Lederschuhen.
In Hameln stehen alle Häuser leer. Die Stadt ist vor den anrückenden Amerikanern evakuiert worden. Zwei flüchtende Italiener werden hier von den Wachtmeistern erschossen.
Auf Nebenstraßen geht es durch zahlreiche Dörfer entlang des Ith südwärts nach Holzen. Ungefähr um zwölf setzt ein feiner Nieselregen ein. Unsere Füße werden zu bleiernen Lehmklumpen.
Wer die ausgezehrten, eiternden und verlausten Körper gesehen hat, hätte sich gewundert, dass man damit noch 15 Kilometer laufen kann. Und bei zwei dünnen Brotschnitten läuft schon ein gesunder Mensch nicht weit.
Die nicht mehr weiter können, nehmen die Kameraden so gut wie möglich zwischen sich. Ein Wachtmeister, der den Schluss der Kolonne bildet, sorgt dafür, dass es keine Nachzügler gibt. Mit Gewehrkolbenschlägen treibt er die Schwachen weiter und droht: Wer zurückbleibt, wird erschossen. Es liegen in der Tat Leichen entlang der Straße.“ (Auszug aus dem Zeitzeugenbericht von Derk Heero Schortinghuis)

Der Marsch ging bis in die Nacht hinein. Die Letzten erreichten Holzen erst am Morgen des 6. April. Zehn Tote sind nachgewiesen, darunter drei Niederländer. Wie viele Todesopfer der Marsch insgesamt erforderte, ist nicht geklärt.

Literatur:
Derk Heero Schortinghuis: „Met de dood vor ogen“ (Den Tod vor Augen), Bedum 2000

Weblinks:
> Bernhard Gelderblom: Bürger aus den Benelux-Staaten als NS-Verfolgte im Zuchthaus Hameln 1942-1945
> Bernhard Gelderblom: Das Zuchthaus Hameln in der NS-Zeit und in der Nachkriegszeit