Schlagwort-Archive: Bergen-Belsen

Freilassung von 105 türkischen Juden in die Türkei, März 1945. Reiseroute rekonstruiert nach den Berichten von Rudolf Levi und Philippe Aubert de la Rüe. (Stiftung niedersächsische Gedenkstätten/Gedenkstätte Bergen-Belsen, Atelier Weidner Händle, Stuttgart)

Freilassung von 105 Juden aus dem KZ Bergen-Belsen in die Türkei

Am 4. März 1945 verlässt ein Transport mit 105 türkischen Juden das sogenannte Neutralenlager des KZ Bergen-Belsen.

Die Familien, darunter 20 Kinder, wurden im Laufe des Jahres 1944 aus verschiedenen Ländern Europas in das Austauschlager Bergen-Belsen gebracht, da sie den Anspruch auf die türkische Staatsangehörigkeit erhoben. Im August 1944 brach die Türkei die diplomatischen Beziehungen zum Deutschen Reich ab und internierte die dort lebenden Deutschen. Da das Deutsche Reich ein Interesse an der Rückkehr der eigenen Staatsangehörigen hatte, wurde ein Austausch vereinbart.

In Lübeck stoßen weitere 20 jüdische Frauen und Kinder aus Ravensbrück zu der Gruppe aus Bergen-Belsen. Sie fahren ab Göteborg mit der MS Drottningholm auf dem Seeweg über England, Portugal und Ägypten nach Istanbul. Nach der Ankunft am 10. April 1945 verweigert die Türkei zwar den meisten Juden die Anerkennung der Staatsbürgerschaft, erlaubt aber nach längeren Verhandlungen einen Aufenthalt in Flüchtlingslagern.

Literatur:
Corry Guttstadt: Die Türkei, die Juden und der Holocaust, Berlin/Hamburg 2008, S. 468ff

KZ-Außenlager Boelcke-Kaserne (Nordhausen), 12. April 1945 (nach der Befreiung). Sterbende liegen zwischen Toten. (National Archives, Washington)

Transport vom Harz in den Tod

Aus dem KZ-Außenlager Ellrich-Juliushütte im Südharz lässt die SS 1602 kranke und sterbende Häftlinge, die sie als arbeitsunfähig ausgesondert hat, in die Boelcke-Kaserne nach Nordhausen bringen. Als die Viehwaggons in der nur 15 km entfernten Stadt eintreffen, sind bereits 340 Häftlinge tot. Am Folgetag füllt die SS den Transport auf 2250 Häftlinge auf und lässt den Zug nach Bergen-Belsen fahren. Von dem Transport sind bislang keine Überlebenden bekannt.

Die Boelcke-Kaserne in Nordhausen diente als zentrales Siechen- und Sterbelager des KZ Mittelbau-Dora. Die SS überließ hier Häftlinge, die als arbeitsunfähig selektiert worden waren, sich selbst. Die meisten starben innerhalb weniger Tage an den Folgen von Hunger, Erschöpfung und Krankheiten. Mindestens 3000 Menschen überlebten das Lager nicht, das nur drei Monate existierte.

Literatur:
Jens-Christian Wagner, Ellrich 1944/45. Konzentrationslager und Zwangsarbeit in einer deutschen Kleinstadt, Göttingen 2009.
Ders.: Gesteuertes Sterben. Die Boelcke-Kaserne als zentrales Siechenlager des KZ Mittelbau, in: Dachauer Hefte 20 (2004), S. 127-138.

 Website:
www.dora.de

Pola Berkowitz-Wajnstock am Gedenkstein ihrer verstorbenen Schwester Sifka in Bergen-Belsen, undatiert

Transport von Frauen und Kindern in das KZ Bergen-Belsen

Am 2. März 1945 treffen mehr als 3 200 Frauen und Kinder aus dem KZ Ravensbrück im KZ Bergen-Belsen ein. Das Lager ist mit knapp 42 000 Häftlingen bereits extrem überbelegt. An diesem Tag sterben insgesamt 239 Menschen an den Folgen der Haft, allein 68 Frauen und Kinder im Frauenlager. Eine Liste des Transportes aus Ravensbrück ist nicht überliefert, weshalb nur ein kleiner Teil der Insassen namentlich bekannt ist.

Teil dieses Transportes sind 270 jüdische Frauen und Kinder aus Piotrkow. Zu dieser Gruppe gehören auch die Schwestern Pola und Sifka Wajnstock. Beide werden am 15. April 1945 in Bergen-Belsen befreit. Vier Tage später stirbt Sifka im Alter von 23 Jahren an Typhus. Die Eltern und zwei weitere Geschwister sind in Polen ermordet worden. Im Displaced Persons Camp Bergen-Belsen heiratet Pola und bringt 1948 einen Sohn zur Welt, bevor die Familie nach Israel geht. Den Stein für ihre Schwester Sifka lässt Pola Wajnstock vor der Auswanderung errichten. Seitdem steht er auf dem Gelände der Gedenkstätte Bergen-Belsen.

Eine gotische Kirche als KZ-Außenlager: die zur Stadthalle umgebaute ehemalige Kirche St. Pauli in Hildesheim (StA Hildesheim, Best. 952, 91/1)

Hildesheim. Einrichtung eines KZ-Außenlagers in der Innenstadt

Am 1. März 1945 wies der Hildesheimer Oberbürgermeister dem Reichsbahnbetriebsamt Hildesheim die beiden Säle im 1. Stock der Hildesheimer Stadthalle – einer umgebauten ehemaligen Kirche – zur Unterbringung von 500 KZ-Häftlingen zu. So entstand ein Außenlager des KZs Neuengamme mitten in der Altstadt von Hildesheim. Die jüdischen Häftlinge – in der Mehrheit Ungarn – waren die Überlebenden eines Evakuierungstransports aus dem KZ Groß-Rosen, die über Bergen-Belsen nach Hildesheim gekommen waren, wo sie völlig entkräftet und halb verhungert eintrafen. Hier wurden sie bei Aufräumungsarbeiten auf dem durch einen alliierten Luftangriff am 22. Februar zerstörten Güterbahnhof eingesetzt.

Bei den Märschen von der Stadthalle zu ihrem Einsatzort und bei der Arbeit wurden sie von einem Zug des Hildesheimer Volkssturms unter dem Kommando des Zugführers Albert Rosin bewacht. Angefeuert durch den NSDAP-Kreisleiter Meyer forderte Rosin seine Leute zu rücksichtsloser Gewalt gegen die Häftlinge auf. Er selbst erschoss eigenhändig einen jungen ungarischen Juden, der eine halb verbrannte Konservendose an sich genommen hatte. Dafür wurde er 1951 wegen Totschlags zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt.

Literatur:
Markus Roloff: Zwangsarbeit in Hildesheim. Der Arbeitseinsatz für die Rüstungswirtschaft des Dritten Reiches, in: Hildesheimer Jahrbuch 70/71 (1998/99), S. 163-189

Links:
Außenlager Hildesheim auf der Website der KZ-Gedenkstätte Neuengamme

Die Stadthalle als KZ- Außenstelle auf der Website von Vernetztes Erinnern – Nationalsozialistische Gewaltherrschaft in Stadt und Landkreis Hildesheim

Liste des Transportes aus dem Außenlager Leipzig des KZ Buchenwald in das KZ Bergen-Belsen

Transport kranker Frauen aus dem KZ-Außenlager Leipzig in das KZ Bergen-Belsen

Am 28.Februar 1945 trifft ein Transport mit 71 kranken Frauen aus dem Arbeitskommando der Firma Hugo Schneider AG („Hasag“) im Frauenlager des KZ Bergen-Belsen ein. Die „Hasag“ war der größte Leipziger Rüstungskonzern mit mehreren Fabriken in Deutschland und im besetzten Polen. Weibliche Häftlinge, die aufgrund von Verletzungen, Erkrankungen oder Schwäche nicht mehr arbeiten konnten, wurden ausgesondert. Der Kommandant des Außenlagers, Wolfgang Plaul, meldet dem KZ Buchenwald die Überstellung der „arbeitsunfähigen“ Häftlinge am 27. Februar. Bei den Nummern in der zweiten Spalte handelt es sich um die Haftnummern des KZ Buchenwald. Die älteste Frau ist 1886, die jüngsten sind 1928 geboren. Unter den Frauen befindet sich auch ein Kind. Das Schicksal der meisten Frauen dieser Gruppe ist nicht bekannt, neun werden in Bergen-Belsen befreit, von denen eine Frau im Mai 1945 an den Folgen der Haft stirbt.

Mehr als zwei Dutzend Transporte mit nicht arbeitsfähigen Frauen trafen 1945 aus den Außenlagern des KZ Buchenwald in Bergen-Belsen ein. Man muss davon ausgehen, dass viele der ohnehin geschwächten Menschen an diesem Ort starben.

 

Papier

Transport von 500 Männern aus dem KZ-Außenlager Ohrdruf in das KZ Bergen-Belsen

Am 27. Februar 1945 trifft ein Transport mit 500 Männern aus dem Außenlager Ohrdruf (Tarnbezeichnung „S III“) im Männerlager des KZ Bergen-Belsen ein.

In dem zum KZ Buchenwald gehörenden Lager mussten Tausende Häftlinge unter schwersten Bedingungen Zwangsarbeit leisten. Im Februar und März 1945 brachte die SS in mehreren Transporten bis zu 4.000 kranke und als „arbeitsunfähig“ ausgesonderte Häftlinge nach Bergen-Belsen. Die geschwächten Männer hätten einer ärztlichen Behandlung in einem Krankenhaus bedurft. Stattdessen kommen sie bei mangelhafter Ernährung ohne medizinische Versorgung in die überfüllten Baracken eines Lagers, wo Fleckfieber und andere epidemische Krankheiten herrschen.

Der ungarische Häftling Ede Borovitz ist einer von ihnen. Auf der ersten Seite der Liste wird er unter der laufenden Nummer 90 als „Borourtz, Ede“ mit der Buchenwald-Haftnummer 107018 aufgeführt. Durch eine Anfrage seines Sohnes erfuhren Mitarbeiter der Gedenkstätte Bergen-Belsen, dass Ede Borovitz nicht zu seiner Familie zurückkehrte und in Bergen-Belsen starb.

Er wurde, wie vermutlich viele Männer dieses Transportes, anonym in einem der Massengräber bestattet. Zur Erinnerung an seinen Vater ließ der Sohn eine Gedenktafel auf dem Gelände der Gedenkstätte anbringen.

Stein

Gedenktafel für Ede Borovitz errichtet 2010 von seinem Sohn auf dem Gelände der Gedenkstätte Bergen-Belsen | Gedenkstätte Bergen-Belsen, Bernd Horstmann

Weiterführende Informationen: Gedenkstätte Buchenwald: Das Außenlager Ohrdruf

Aus dem Tagebuch von Arieh Koretz, Häftling im KZ Bergen-Belsen

Am 22. Februar 1945 befindet sich Arieh Koretz im „Sternlager“, einem Teillager des KZ Bergen-Belsen für jüdische Austauschhäftlinge. Hier führt er ein Tagebuch in neugriechischer Sprache. Er fasst die Ereignisse von Mitte Februar bis Mitte März 1945 in einem Eintrag zusammen.

„Im letzten Monat hat sich die Situation im Lager verändert und bis zur Unkenntlichkeit verschlimmert. Jeden Tag kommen neue Gruppen von Häftlingen und bei jeder dieser Gruppen sind viele, wenn nicht hunderte, von Toten und Halbtoten.
Die Toten werden schon lange nicht mehr im Krematorium verbrannt, der Platz reicht nicht aus, man verbrennt sie einfach draußen, auf Holz, eine Reihe Leichen und eine Reihe Holz. Es gibt Tage, an denen wir 700 bis 800 Tote haben, die so verbrannt werden. Der Rauch und Geruch der versengten Leichen ist in der ganzen Gegend spürbar. Am Anfang war es schwer, sich daran zu gewöhnen.
Der Hunger, der jetzt im Lager herrscht, ist entsetzlich und unvorstellbar, er bringt Menschen einfach um ihren Verstand. Alle stehlen von allen. Die SS-Leute toben, drücken sich den ganzen Tag herum, brüllen und schlagen. (…)
Der Krieg geht noch weiter und man sieht kein Ende. Ob wir überhaupt das Kriegsende erleben werden?“

1928 als Leo Koretz in Hamburg geboren, wurde Arieh Koretz mit seiner Familie über das Ghetto Saloniki 1943 in das KZ Bergen-Belsen deportiert. Am 23. April 1945 wird er auf einem Räumungstransport bei Tröbitz befreit.

 

Literatur:
Arieh Koretz: Bergen-Belsen. Tagebuch eines Jugendlichen 11.7.1944 – 30.3.1945. Göttingen 2011.