Schlagwort-Archive: Wolfenbüttel

Die brennende „Cap Arcona“, 3. Mai 1945 (Archiv der Gedenkstätte Neuengamme)

Rudi Goguel überlebt die Tragödie in der Lübecker Bucht

Einen Tag vor der Kapitulation aller deutschen Truppen im Raum Nordwestdeutschland, Niederlande und Dänemark dümpeln in der Lübecker Bucht die Frachter „Thielbek“ und „Athen“ sowie das Passagierschiff „Cap Arcona“. An Bord befinden sich mehr als 9.000 KZ-Häftlinge aus dem wenige Tage zuvor geräumten KZ Neuengamme.

Am frühen Nachmittag an diesem 3. Mai nehmen britische Bomber zuerst die „Cap Arcona“ und eine Stunde später die „Thielbek“ unter Beschuss. Die „Cap Arcona“ steht im Handumdrehen vom Bug bis zum Heck in Flammen. Die „Thielbek“ sinkt innerhalb von 20 Minuten.

Die Häftlinge haben kaum eine Möglichkeit, sich zu retten. Über 7.000 von ihnen sterben.

Einer der wenigen Überlebenden ist der 36jährige Elsässer Rudi Goguel. Der Komponist des „Moorsoldatenlieds“ war bereits 1933 wegen seines politischen Engagements als KPD-Funktionär in das KZ Börgermoor im Emsland verschleppt worden. Ein Gericht verurteilte ihn 1934 zu zehn Jahren Zuchthaus, die er in Remscheid-Lüttringhausen, Wolfenbüttel, Celle und Hameln verbüßte. Nach seiner Entlassung 1944 wurde er umgehend in „Schutzhaft“ genommen und über das KZ Sachsenhausen in das KZ Neuengamme verbracht.

Literatur (Auswahl):

  • Rudi Goguel: Cap Arcona: Report über den Untergang der Häftlingsflotte in der Lübecker Bucht am 3. Mai 1945, Frankfurt/Main 1972
  • Wilhelm Lange: Cap Arcona. Das tragische Ende der KZ-Häftlings-Flotte am 3. Mai 1945, Neustadt in Holstein 1988
  • Fietje Ausländer, Susanne Brandt, Guido Fackler: Das Lied der Moorsoldaten 1933 bis 2000. Bearbeitungen – Nutzungen – Nachwirkungen. Hg. vom Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Emslandlager (Papenburg) in Kooperation mit der Stiftung Deutsches Rundfunkarchiv, Papenburg 2002

Weblinks:

Das Moorsoldatenlied:

Wilfred Jensenius 1945 (Privatbesitz Jorgen Jensenius)

Die Befreiung des Nacht- und Nebelgefangenen Wilfred Jensenius

Am 27. April 1945 wird der Norweger Wilfred Jensenius im Zuchthaus Brandenburg-Görden von der Roten Armee befreit. In einem Interview, das in der Göteborger Handels- und Seefahrtzeitung Ende 1945 erschien, beschreibt er diesen Moment: „Unten im Flur ertönt ein Schrei, der zu gewaltigem Jubel anschwillt – wir sind frei. Man weint in Strömen und jubelt um die Wette.“

Jensenius (1911-1999) gehörte zur Besatzung von zehn norwegischen Handelsschiffen, die seit dem deutschen Überfall auf Norwegen 1940 im schwedischen Göteborg festlagen. Er geriet im April 1942 in deutsche Gefangenschaft, als die Mannschaften dieser Schiffe einen Ausbruchversuch wagten. Auf Grundlage des später sogenannten „Nacht-und-Nebel-Erlasses“ vom 7. Dezember 1941 wurde er wegen „landesverräterischer Feindbegünstigung“ verurteilt. Nach einer Odyssee durch verschiedene Zuchthäuser und Strafanstalten gelangte er schließlich im Juli 1944 in das Strafgefängnis Wolfenbüttel. Am 8. April 1945, drei Tage vor dessen Befreiung, wurde Jensenius wie alle anderen dort inhaftierten „Nacht-und Nebel“-Gefangenen auf Räumungstransport geschickt.

Im Strafgefängnis Wolfenbüttel saßen insgesamt über 700 Franzosen, Belgier, Niederländer oder Norweger ein, die aufgrund des „Nacht-und-Nebel-Erlasses“ verfolgt wurden. Die Nationalsozialisten warfen ihnen Widerstand vor und verschleppten sie nach Deutschland, wo sie von Sondergerichten und dem Volksgerichtshof unter Ausschluss der Öffentlichkeit abgeurteilt wurden. Ihre Angehörigen wurden absichtlich nicht von ihrem Schicksal informiert, was der Abschreckung dienen sollte.

Literatur:
Göteborgs Handels- och Sjösartstidning vom 22. Dezember 1945

Weblink:
Nyheter fra London 29. mai 1945 >> http://www.nb.no/nbsok/nb/9fee2684fa2e033e48e06de5a5b8b089

Willi Herold beim Reichsarbeitsdienst Foto: 1943 (Archiv Paul Meyer, Freiburg i.Br.)

Massaker des angeblichen „Hauptmanns“ Willi Herold

Anfang April 1945 verliert der 19-jährige Fallschirmjägergefreite Willi Herold in der Nähe von Bentheim den Kontakt zu seiner Einheit. In einem zerstörten Fahrzeug findet er eine Hauptmannsuniform, eignet sie sich an und marschiert Richtung Norden. Am 12. April trifft er mit einer Gruppe versprengter Soldaten im Lager II Aschendorfermoor ein. Hier sind nach abgebrochenen Evakuierungsmärschen aus den Strafgefangenenlagern im nördlichen Emsland 2.500 bis 3.000 Gefangene untergebracht.

Mit forschem Auftreten und resolutem Verhalten übernimmt der selbsternannte „Hauptmann“ im Lager die Befehlsgewalt. Bis zum 19. April ermorden er und seine Helfer im Lager und in der Umgebung mindestens 172 Gefangene.

Am 23. Mai verhaftet ihn die Royal Navy in Wilhelmshaven und interniert ihn anschließend im Civil Internment Camp Esterwegen. Im August 1946 von einem britischen Militärgericht in Oldenburg zum Tode verurteilt, wird Willi Herold am 14. November 1946 im Gefängnis Wolfenbüttel hingerichtet.

Literatur:
T.X.H. Pantcheff: Der Henker vom Emsland. Dokumentation einer Barbarei am Ende des Krieges 1945, Leer, 2. Aufl. 1995

Heinrich und Inge Peters: Pattjackenblut. Antreten zum Sterben – in Linie zu 5 Gliedern, Norderstedt 2014

DVD:
Der Hauptmann von Muffrika. Film von Paul Meyer und Rudolf Kersting; Dokumentation, s/w, 70 Min, 1997

Website:
www.gedenkstaette-esterwegen.de

Howard Goodkind, ein US-amerikanischer Soldat, fotografierte wenige Tage nach der Befreiung im Strafgefängnis Wolfenbüttel. (© Tom Goodkind)

Das Strafgefängnis Wolfenbüttel wird befreit

Am 11. April 1945 wird das Strafgefängnis Wolfenbüttel wie auch die Stadt von Einheiten der 9. US-Armee befreit. Die Beamtenschaft des Gefängnisses war kurz vor der Ankunft der Alliierten geflohen und die Gefangenen bleiben sich zeitweise selbst überlassen.

Teilweise chaotische Zustände bestimmen um den Befreiungstag das Dasein der Gefängnisinsassen. Aufgrund von Überbelegung, mangelnder medizinischer Versorgung, dem Ausbruch einer Ruhrepidemie und anderem steigen die Todeszahlen.

Der seit 8. April 1945 amtierende Gefängnisarzt Dr. Walter Kalthöner beschreibt die Situation im Strafgefängnis Wolfenbüttel:
„Die Amerikaner entließen einige hundert Gefangene und die Zellen der übrigen Gefangenen wurden geöffnet, so dass sie frei umherlaufen konnten innerhalb des Gefängnisses. […] Wir haben dann versucht, die sanitären Verhältnisse zu verbessern. […] In einem Raum, dessen Lage ich nicht genau angeben kann, waren etwa 200 Gefangene untergebracht, besonders Italiener und Polen. Die Leute waren alle sterbenskrank. Ich habe dann, soweit es noch Sinn hatte, die Überführung von Kranken in das Lazarett veranlasst und es sollen 7 davon durchgekommen sein. Die übrigen sind gestorben.“ (Quelle: Niedersächsisches Landesarchiv – Standort Wolfenbüttel 42 A Neu Fb. 3 Nr. 123.)

Internet:
http://wolfenbuettel.stiftung-ng.de

Das Hinrichtungshaus im Innenhof des Strafgefängnisses Wolfenbüttel, ca. 1944 (Niedersächsisches Landesarchiv - Standort Wolfenbüttel, 50 Slg. 234 Nr. 42)

Die letzte Hinrichtung im Strafgefängnis Wolfenbüttel in der NS-Zeit

Am 15. März 1945 findet im Strafgefängnis Wolfenbüttel die letzte Hinrichtung während der Zeit des Nationalsozialismus statt. Johann Emanuel C., geboren am 7. September 1916, war vom Sondergericht in Bremen zum Tode und zum dauernden Ehrverlust verurteilt worden.
Viele der Hingerichteten wurden von Sondergerichten verurteilt. Seit dem 5. September 1939 galt die „Verordnung gegen Volksschädlinge“. Vielfältige „Delikte“ konnten hierauf begründet mit dem Tode bestraft werden: Im Fall von Johann Emanuel C. reichte das Mitnehmen einer Armbanduhr, einer Pfeife, eines Feuerzeugs, einer Zigarettenspitze und einer Tabaksdose beim Räumen eines durch einen Bombenangriff zerstörten Erdbunkers dem Sondergericht für die Verhängung des Todesurteils wegen Plünderns.
Im Verzeichnis der Hingerichteten im Strafgefängnis Wolfenbüttel wurden zwischen dem 12. Oktober 1937 und dem 15. März 1945 insgesamt 516 Menschen eingetragen. Wolfenbüttel war damit eine der zentralen Hinrichtungsstätten in Norddeutschland. Am 11. April 1945 wurde das Strafgefängnis befreit.

Die Hinrichtung von Franz Zdyn im Strafgefängnis Wolfenbüttel

Im Strafgefängnis Wolfenbüttel wird der 49-jährige Franz Zdyn wegen Verbrechen gegen die Kriegssonderstrafrechts-Verordnung hingerichtet. Als Zeuge Jehovas verweigerte er unter Berufung auf das fünfte Gebot „Du sollst nicht töten“ aus religiöser Überzeugung den Dienst in der Wehrmacht. Das Sondergericht Hannover verurteilte ihn daraufhin am 13. Februar 1945 zum Tode. Zwei Tage später überstellte die Justiz ihn in das Strafgefängnis Wolfenbüttel, wo am 9. März 1945, um 13:40 Uhr, das Todesurteil vollstreckt wurde. Seine Leiche wurde an die Stadtpolizeibehörde in Wolfenbüttel zur Bestattung auf dem Hauptfriedhof übergeben.

Zusammen mit Franz Zdyn wurden an diesem Tag 16 weitere Personen hingerichtet. Die Todesurteile wurden innerhalb weniger Minuten vollstreckt. Dies war die letzte Massenhinrichtung im Strafgefängnis Wolfenbüttel vor der Befreiung durch amerikanische Truppen am 11. April 1945.

Link: wolfenbuettel.stiftung-ng.de

Haus

Ankunft von 124 Gefangenen im Strafgefängnis Wolfenbüttel

In den letzten Wochen vor der Befreiung verschlechterten sich die Haftbedingungen im Strafgefängnis Wolfenbüttel dramatisch. Die Auflösung von Außenkommandos und die Verlegung von Inhaftierten aus frontnahen Haftstätten nach Wolfenbüttel führten zu einer starken Überbelegung. Das Gefängnis hatte eine Belegungsfähigkeit von bis zu 940 Personen. Anfang 1945 stieg die Zahl der Gefangenen jedoch auf über 1500 Personen. Es fehlte an Lebensmitteln, Kleidung, Decken und medizinischer Versorgung.

Allein am 23. Februar 1945 wurde die Ankunft von insgesamt 124 Personen unterschiedlicher Nationalität im Strafgefängnis Wolfenbüttel registriert. Viele von ihnen wurden von den Staatsanwaltschaften in Stettin, Stargard und Prag eingewiesen. Es ist anzunehmen, dass die Gefangenen aufgrund der nahenden alliierten Truppen nach Wolfenbüttel überstellt wurden.